Onkologiekongresse
Onkologe 2016 · 22:206–211
DOI 10.1007/s00761-016-0025-5
Online publiziert: 17. Februar 2016
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
A. Junker
Wermelskirchen, Deutschland
ASH 2015: Von der Jahrestagung
der amerikanischen
Hämatologen
Orlando, 05.–08. Dezember 2015
Zu der 57. Jahrestagung der Ame-
rican Society of Hematology (ASH)
kamen aus der ganzen Welt weit
über 20.000 Teilnehmer zusammen,
um sich über aktuelle Forschungser-
gebnisse auszutauschen, ein großer
Teil davon aus der Hämatoonkologie.
Neuigkeiten zur adoptiven
Immuntherapie: CAR-T-Zellen
Für Patienten mit therapieresistenten
B-Zell-Malignomen ist eine allogene
Stammzelltransplantation die einzige
kurative Option. Eine erneute Progres-
sion ist die häufigste Todesursache. Bis-
lang wird versucht, mit unmanipulierten
Spenderlymphozyten die Krankheit zu
kontrollieren. Dies ist aber oft ineffek-
tiv und kann Graft-versus-Host-Disease
(GvHD) verursachen. In einer klini-
schen Studie wurde nun bei Patienten
mit malignen CD19+ B-Zell-Erkran-
kungen nach Stammzelltransplantation
der Einsatz gentechnisch veränderten
Spender-T-Zellen geprüft, die einen chi-
mären Antigen-Rezeptor (CAR) für das
CD19-Antigen exprimieren
[ 1 ]. Diese
CAR-T-Zellen erkennen und attackieren
dann die CD19-positiven B-Zellen. In
der Studie erhielten 20 Patienten nach
rückfälliger Stammzelltransplantation
eine einmalige Infusion mit anti-CD19
CAR-T-Zellen ohne weitere Chemothe-
rapie. Bei acht der Patienten kam es
daraufhin zu einer Remission, in 6 Fäl-
len komplett. Die Ansprechraten waren
am höchsten bei akuter lymphatischer
Leukämie: Hier war bei vier von fünf Pa-
tienten keine minimale Resterkrankung
(MRD) mehr nachweisbar. Die längste
bislang andauernde Vollemission beträgt
30 Monate bei einem Patienten mit CLL.
Bei keinem der in dieser Studie Behan-
delten entwickelte sich eine GvHD. Die
Infusion von Anti-CD19 CAR-T-Zellen
scheint somit für Patienten mit B-Zell-
Malignomen eine Möglichkeit zur Era-
dizierung von bösartigen Zellen nach
allogener Stammzelltransplantation zu
sein.
Das
B-Zell-maturation-Antigen
(BCMA)
zählt zur TNF-Superfamilie
und nur auf Plasmazellen exprimiert.
BeimmultiplenMyelom ist es in 60–70 %
der Fälle vorhanden und könnte sich da-
her als Zielstruktur für therapeutische
Strategieneignen.IneinerPhase-I-Studie
wurden autologe T-Zellen von Myelom-
patienten genetisch so verändert, dass sie
einen Anti-BCMA-chimerischen Anti-
genrezeptor exprimierten, über den die
T-Zellen Myelomzellen erkennen und
abtöten können
[ 2 ]. Elf Patienten mit
fortgeschrittener Erkrankung, bei denen
im Median sieben Vortherapien fehlge-
schlagen waren, erhielten zunächst einen
Zyklus Chemotherapie zur Depletion
endogener Leukozyten und dann ihre
eigenen genetisch veränderten T-Zellen
als Infusion in vier verschiedenen Do-
sierungen. Die zwei Patienten mit der
höchsten Dosis wiesen auch das stärkste
Ansprechen auf die Therapie auf, hatten
aber auch die stärksten durch Zytokin-
freisetzung hervorgerufenen Nebenwir-
kungen im Sinne eines Zytokin-release-
Syndroms, u. a. mit Fieber, Tachykardie,
Atemnot, Hypotonie undKoagulopathie.
Von den sechs Patienten mit der nied-
rigsten Dosis hatte nur einer eine kurze
parzielleRemissionvonzweiWochen,die
anderen blieben aber zumindest stabil.
Zum ersten Mal konnte gezeigt werden,
dassCAR-T-Zellenauchbei fortgeschrit-
tenem, intensiv vorbehandeltem Mye-
lom hohe antitumorale Aktivität bis hin
zur Vollremission haben können. Anti-
BCMA-CAR-T-Zellen sind diesen Er-
gebnissen zufolge eine vielversprechende
neue Therapieoption für diese Patienten.
Kein Unterschied zwischen
länger und kürzer gelagerten
Blutkonserven
Während der gekühlten Lagerung von
Erythrozytenkonzentraten könnte die
Fähigkeit der Zellen, Sauerstoff zu den
Geweben zu transportieren, beeinträch-
tigt werden. Bisher ist eine Lagerung
bis zu 5–6 Wochen zulässig. Fraglich
ist, ob diese Zeit verkürzt werden muss,
was potenziell zu Versorgungsengpäs-
sen führen könnte. Diese Überlegungen
führten dazu, zu dieser Frage eine pro-
spektive kontrollierte, randomisierte
Studie durchzuführen. Eingeschlossen
wurden 290 Patienten im Alter von
6 Monaten bis 5 Jahren, die schwere
Anämien (Hb
≤
5 g/dl) mit erhöhten
Blutlaktatwerten (
≤
5 mM) aufwiesen
[ 3 ]. Sie erhielten entweder nur 1–10 Tage
oder zwischen 25 und 35 Tagen gelagerte
Konserven. Laktatmessungen erfolgten
bei Transfusionsbeginn bis 24 h danach.
Primärer Endpunkt war eine Absen-
kung des Laktatspiegels unter 3 mM
nach 8 h. Diesbezüglich unterschieden
sich die beiden Gruppen nicht signi-
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Der Onkologe 3 · 2016