CD22 als mögliches als Ziel bei ALL
Trotz des Erfolgs der Anti-CD19-CAR-
Therapie bei rezidivierter und refraktä-
rer CD22-positiver ALL im Kindes- und
Jugendalter sprechen nicht alle Patien-
ten darauf an oder erleiden in der Folge
ein Rezidiv. Zur Umgehung dieses Prob-
lems wurden CD22 als ein alternatives
Ziel anvisiert und dagegen Anti-CD22-
CARs entwickelt. CD22 ist auch deshalb
gut geeignet, weil es auf B-Zell-Lympho-
men sehr häufig exprimiert wird.
Eine Phase-I-Dosiseskalationsstudie
– die erste mit Anti CD22-CAR – unter-
suchte zunächst die Durchführbarkeit
dieses Ansatzes, aber dann auch seine
mögliche Eignung als Zweitlinienthe-
rapie nach Anti-CD19-CAR-Therapie
[ 4 ]. Die Patienten im Alter von 7 bis
22 Jahren waren entweder CAR-Thera-
pie-naiv oder resistent gegen eine Anti-
CD19-CAR-T-Zelltherapie geworden.
Alle hatten vorher bereits mindestens
eine allogene Stammzelltransplantation
erhalten. Berichtet wurden die Ergebnis-
se der Behandlung mit Anti-CD22-CAR
in zwei unterschiedlichen Dosierungen
bei den ersten 16 auswertbaren Patien-
ten. In der Gruppe mit der höherenDosis
(
n
= 10) erreichten 8 Patienten eine CR
ohne Hinweise auf eine Resterkrankung
nach einem Monat. Die niedrigere Do-
sierung führte nur in einem von 6 Fällen
zur CR. Nach einem Jahr war noch ein
Patient in Remission. Die Ergebnisse
zeigen, dass nach einem Rückfall auf die
erste eine zweite, auf ein anderes Antigen
gerichtete CAR-Therapie möglich, sicher
und effektiv ist, resümierte der Studien-
leiter Terry Fry, Bethesda, Maryland. Die
auffälligste Toxizität war wieder das
Zy-
tokin-Release-Syndrom
mit Fieber und
Blutdruckabfall als Hauptsymptomen.
Der Verlauf war meist mild, allerdings
verstarb ein Patient an einer Sepsis, die
nach einer solchen massiven Zytokin-
freisetzung auftrat. Während die Studie
weiter Patienten rekrutiert, werfen diese
frühen Resultate aber auch schon Fragen
auf – zum Beispiel ob die zweite CAR-
Therapie erst bei Rückfall nach der ersten
beginnen oder gleich eine CAR-Kom-
binationstherapie angewandt werden
sollte. So planen Fry und sein Team den
kombinierten Einsatz von Anti-CD19-
und Anti-CD22-CAR-T-Zellen mit der
Hypothese, die Wahrscheinlichkeit für
eine nachhaltige Remission dadurch zu
erhöhen.
Tops und Flops in Hämatologie-
Studien
GALLIUM-Studie bei follikulären
Lymphomen – Obinutuzumab
besser als Rituximab
In der Plenarsitzung präsentierte Robert
Marcus, London, erste Ergebnisse der
GALLIUM-Studie (NCT01332968), die
die Effektivität zweier CD20-Antiköper
bei Patienten mit nicht vorbehandelten
follikulären Lymphomen (FL) und Man-
telzelllymphomen,ganzüberwiegendder
Stadien III und IV, verglich: Rituximab
(R) und Obinutuzumab (G)
[ 5 ]. Bislang
ist eine R-haltige Immunchemotherapie,
gefolgt von einer Erhaltungstherapie mit
Rituximab Standard für Patienten mit
fortgeschrittenen symptomatischen FL,
allerdings nicht kurativ.
Die Patienten wurden randomisiert
für Immunchemotherapie mit Benda-
mustin, CHOP oder CVP, jeweils plus G
oder R, gefolgt von einer Erhaltungsthe-
rapie mit G oder R. Am häufigsten kam
Bendamustin zum Einsatz (57 %). Die
Erhaltungstherapie wurde für 2 Jahre
gegeben. Der primäre Endpunkt dieser
internationalen Studie war das mittels
CT bestimmte progressionsfreie Über-
leben (PFS) – CT deshalb, weil viele der
teilnehmenden Zentren nicht über die
validierte PET-Technik verfügten.
Vorgestellt wurde eine geplante In-
terimsanalyse für die rund 1200 FL-
Patienten immedianen Alter von 59 Jah-
ren. Hinsichtlich Ann-Arbor-Stadien
und prognostischen Faktoren waren die
Gruppen gut vergleichbar. In beiden
Armen betrug die Gesamtansprechrate
(ORR) 85 %. Aber nach einemmedianen
Follow-up von 34 Monaten zeigte sich
der Unterschied in Bezug auf den pri-
mären Endpunkt der Studie signifikant:
Im Vergleich zum R-Arm im G-Arm
war das Risiko für Progression oder
Mortalität um 34 % reduziert (HR 0,66;
KI 0,51–0,85;
p
= 0,001) (
.
Abb
. 1 ). Die
Zeit bis zur nächsten Therapielinie war
im G-Arm ebenfalls länger.
Allerdings kam es mit G-Immunche-
motherapie häufiger zu Infusionsreak-
tionen und insgesamt zu mehr höher-
gradigen Nebenwirkungen (
≥
Grad 3;
74,6 vs. 67,8 %), insbesondere Neutro-
penie und Infektionen, und ebenfalls zu
mehr schweren unerwünschten Ereig-
nisse (46,1 % vs. 39,9 %). Die Häufigkeit
von zum Tod führenden Toxizitäten war
mit G 4 % vs. 3,4 % mit R. Besonde-
res Augenmerk müsse bei der finalen
Analyse auch den eingesetzten Chemo-
therapien gelten, so die Autoren. Denn
schon jetzt fiel auf, dass die Rate der
nicht lymphombedingten Todesfälle bei
Bendamustintherapie 5 % im Vergleich
zu nur 2 % unter CHOP oder CVP
betrug. Der renommierte Lymphom-
Experte Brad Kahl, St. Louis (Missou-
ri), kommentierte, diese Studie habe
das Potenzial, die Behandlungspraxis zu
verändern: Für die Patienten, die Obi-
nutuzumab erhielten, habe sie das PFS
nach 2 Jahren um absolut 8 % gestei-
gert. Obinutuzumab könnte daher zu
einem neuen Standard in der Erstlinien-
therapie von Patienten mit follikulären
Lymphomen werden.
ALL bei Kindern – „Less is more –
Except sometimes, less is . . . less“
Die zur Behandlung akuter lymphati-
scher Leukämien (ALL) im Kindesalter
eingesetzten Therapieschemata dauern 2
bis3JahremiteinemWechselvonintensi-
venTherapiephasen und Erhaltungspha-
sen. Herausforderungen sind die Identi-
fizierung von Patienten, die mit weniger
intensiver Therapie geheilt werden kön-
nen, und die Frage, welche Elemente der
Therapie ohne Nachteile für den Patien-
ten ggf. entfallen können. Ein Forscher-
team aus Deutschland und Italien analy-
sierte Daten aus der großen internatio-
nalen, von 2000 bis 2006 durchgeführten
AIEOP-BFM-ALL-2000-Studie
[ 6 ]. Die
Wissenschaftler betrachteten 1164 Pati-
enten, die im Rahmen dieser Studie für
zwei unterschiedlich intensive Protokol-
le (P-II und P-III) randomisiert worden
waren: P-III ist kürzer als das Standard-
protokoll P-II (Dauer 29 vs. 49 Tage); die
Dosis von Dexamethason ist um 30 %
und die Dosis von Vincristin, Doxoru-
Der Onkologe 3 · 2017
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