Dr. Annette Junker - Medizinjournalistin, Qualitätsberatung, Medical Management - page 5

Schlaglichter aus Politik
und Palliativmedizin
Besserer Appetit und
Gewichtszunahme
durch Anamorelin
Anorexie und Kachexie gehören zu
schwerwiegenden Symptomen fortge-
schrittener Krebserkrankungen. Das neue
Medikament Anamorelin, ein oraler Ago-
nist des in Magen und Pankreas bei lee-
rem Magen ausgeschütteten Hormons
Ghrelin, verbessert offenbar den Appetit
und führt zu einer BMI-Zunahme bei Pa-
tienten mit fortgeschrittenem Bronchial-
krebs, so das Ergebnis zweier in Mad-
rid vorgestellter Studien. In der ROMA-
NA-1-Studie nahmen die Patienten, die
Anamorelin eingenommen hatten, im
Durchschnitt um 2,2 kg zu, mit Placebo
nur 0,14 kg (p<0,0001). Ähnliches zeigte
sich in der ROMANA-2-Studie. Der Ap-
petit der Patienten nahm unter Anamo-
relin zu, allerdings nicht die Muskelkraft.
Trotzdem, so die Experten vor Ort, sei
Anamorelin eine wertvolle neue Option,
um Anorexie und Kachexie bei Krebspa-
tienten entgegenzuwirken. An Nebenwir-
kungen traten ab und zu Hyperglykämien
und Nausea auf, die aber selten =Grad 3
erreichten [8].
Unterschiede in Zulassungs-
geschwindigkeit und Verfügbarkeit
wichtiger Krebsmedikamente
Der Zugriff auf potenziell überlebensre-
levante Krebsmedikamente unterscheidet
sich in verschiedenen Regionen der Welt
leider wesentlich, wie zwei Studien deut-
lich machten. Zum einen liegt dies an der
unterschiedlichen Dauer des Zulassungs-
verfahrens, das bei der FDA im Vergleich
zur EMA durchschnittlich 6 Monate kür-
zer ist und 7,6 Monate kürzer als in Ka-
nada. Der größte Unterschied wurde bei
der Zulassung von Azactidin festgestellt,
der zwischen FDA und Health Cana-
da 55,8 Monate betrug. Am schnellsten
lief die Zulassung von Cabazitaxel, das
von der FDA 17 Tage nach dem Antrag
des Herstellerunternehmens für die Be-
handlung des metastasierenden Prosta-
takarzinoms registriert wurde. In Kana-
da und in Europa betrug die Zulassungs-
zeit rund 11 Monate. Damit den Patien-
ten neue, wirksame Medikamente mög-
lichst rasch zur Verfügung stehen, müs-
se die Zusammenarbeit zwischen Ärzten,
Pharmaindustrie und den Zulassungsbe-
hörden verbessert werden, lautete das Re-
sümee [9].
Eine weitere Untersuchung weist auf
signifikante Unterschiede in Verfügbar-
keit und Gebrauch von Trastuzumab zwi-
schen Westeuropa und den Vereinigten
Staaten auf der einen und Osteuropa auf
der anderen Seite hin [10]. Osteuropa, so
die Forscher, habe demnach nur in einer
Größenordnung Trastuzumab beschafft,
die unmöglich für alle Patienten, die da-
von profitiert hätten, ausreichend gewe-
sen sei. Dies wurde für die schon in frü-
heren Untersuchungen gezeigte höhe-
re Brustkrebsmortalität in Osteuropa mit
verantwortlich gemacht.
Schwangerschaft und
Krebstherapie
Bei Kindern, die während der Schwanger-
schaft imRahmen einer Krebsbehandlung
der Mutter Chemotherapie und/oder Ra-
diotherapie ausgesetzt waren, sind nach
Aussage einiger neuer Studien zu dieser
Frage keine negativen Auswirkungen auf
ihre geistige Entwicklung oder die Herz-
funktion zu erwarten. In einer belgischen
Fall-Kontroll-Studie waren 38 Kinder mit
intrauteriner Exposition gegenüber Che-
motherapie mit 38 nach Gestationsal-
ter und Geschlecht gematchten Kindern
ohne entsprechende Exposition vergli-
chen worden. Nach 2?Jahren gab es zwi-
schen beiden Gruppen keine Unterschei-
de in der geistigen Entwicklung oder der
Herzfunktion [11]. Auch für Radiothera-
pie während der Schwangerschaft waren
in einer weiteren Studie keine Unterschie-
de im Hinblick auf neurophysiologische
Parameter und auch keine anderen ge-
sundheitlichen Einschränkungen bei den
Kindern erkennbar [12]. Insofern, so die
Experten, seien Chemotherapie und Ra-
diotherapie während der Schwangerschaft
imHinblick auf die untersuchten Parame-
ter wahrscheinlich als sicher anzusehen.
Es bedürfe aber weiterer Studien mit grö-
ßeren Kollektiven und längerem Follow-
up, um dies zu erhärten.
Korrespondenzadresse
Dr. A. Junker
Sellscheid 100, 42929Wermelskirchen
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt.
A. Junker gibt an, dass kein Inter-
essenkonflikt besteht. ?
Der Beitrag enthält keine Studien an Menschen oder
Tieren.
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Der Onkologe 2 · 2015
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