Dr. Annette Junker - Medizinjournalistin, Medical Management - page 4

eine verringerte Apoptose die Krebsent-
stehung begünstigen könnten. Außerdem
haben sie erhöhte Risiken bei Krebsope-
rationen, wodurch Komplikationen vor-
programmiert sind. Diese aktuelle Meta-
analyse untermauert den Zusammenhang
zwischen Diabetes und Risikoerhöhung
für Inzidenz undMortalität vonMamma-
karzinomen und kolorektalen Karzino-
men. Angesichts der erwarteten weiteren
Zunahme von Übergewicht und Diabetes
raten die Autoren zu verstärkten Aufklä-
rungs- und Präventionsmaßnahmen, um
die Zunahme der beiden Tumorarten und
die krankheitsbedingte Mortalität zu be-
grenzen.
CUP – Entschlüsselung der
Tumorbiologie sinnvoller
als Primärtumorsuche
Entscheidend für die Behandlungspla-
nung bei einem Tumor mit unbekannter
Primärlokalisation (CUP) ist die Identifi-
zierung seines molekularen Profils, so die
Folgerung aus einer aktuellen Untersu-
chung. Bisher war es bei CUP üblich, nach
Biomarkern zu suchen, die einen Hinweis
auf den Primärtumor geben, und dann die
Therapie entsprechend zu wählen. In der
vorgestellten Arbeit waren mehr als 1350
Proben von CUP aus einem großen Refe-
renzlabor u. a. mit Mutationsanalyse, In-
situ-Hybridisierung und Immunhistoche-
mie erneut analysiert worden, um mög-
liche „druggable targets“ – Ansatzpunkte
für zielgerichtete Therapien – zu finden
[8]. In 77% der Proben wurden Verände-
rungen wie Überexpression bestimmter
Proteine (z. B. Steroidrezeptoren, MET),
Proteinverlust (z. B. PTEN), aktivieren-
de Mutationen (z. B. in EGFR, BRAF,
PIK3CA) und Genamplifikationen (z. B.
von
HER2
,
TOP2A
und
MET
) festgestellt,
die sich zumindest bereits heute therapeu-
tisch nutzen lassen. In einem Fall führte
die Identifizierung einer krankheitsspe-
zifischen Genmutation sogar zur Reklas-
sifizierung der ursprünglichen Diagnose.
Für viele der molekularen Veränderungen
stehen bereits zielgerichtete Therapien zur
Verfügung. Daher sollte, anders als bisher
üblich, nicht die Identifizierung der Pri-
märerkrankung, sondern die molekula-
re Entschlüsselung der Tumorbiologie die
Wahl einer effektiven Therapie bei CUP
leiten, so das Resümee der Autoren.
HLA-I-Expression prädiktiv
für Überlebensvorteil durch
ASS bei Darmkrebs
Wenn auch eine Reihe früherer Studien
schon Hinweise darauf gegeben haben,
dass niedrige Acetylsalicylsäure(ASS)-
Dosen das Outcome von Patienten mit
kolorektalen Tumoren verbessern kön-
nen, wusste man bisher nur wenig über
die zugrunde liegenden biologischen
Mechanismen. Es wird angenommen,
dass der hemmende Effekt von ASS auf
Thrombozyten eine Rolle spielt. Er ver-
hindert die Abschirmung von Tumorzel-
len in der Blutbahn durch Thrombozyten
und ermöglicht es dem Immunsystem,
sie zu erkennen und zu eliminieren. Da-
mit würde auch das Metastasierungsrisi-
ko verringert.
Niederländische Wissenschafter gin-
gen der Frage zum Wirkungsmechanis-
mus nach und analysierten Tumorpro-
ben von 999 Kolonkrebspatienten, die im
Eindhoven Krebsregister registriert waren
und für die Daten zur Einnahme von ASS
vorlagen, im Hinblick auf die Expression
von HLA-Klasse-I-Antigenen, Cyclooxy-
genase-2 (COX-2) und Mutationen im
PIK3CA
-Gen [9]. Ihre Hypothese ist Fol-
gende: Wird die Plättchenaggregation um
Tumorzellen in der Blutbahn durch ASS
verhindert, so löst die Anwesenheit von
„freiliegenden“ HLA-I-Antigenen eine
Immunreaktion gegen die Tumorzellen
aus. Tatsächlich zeigte sich, dass die re-
gelmäßige Einnahme niedriger ASS-Do-
sen (80 mg täglich) nach der Krebsdiag-
nose das Überleben nur bei den Patienten
verlängerte, bei denen die Tumorzellen
HLA-I exprimierten: Hier war die Morta-
lität innerhalb von 4?Jahren nach der Dia-
gnose nur halb so hoch wie bei Patienten,
die kein ASS eingenommen hatten. Stra-
tifizierung für COX-2-Expression und
PIK3CA
-Mutation änderte an diesem Er-
gebnis nichts. Die Expression von HLA-
I-Antigenen könnte somit möglicherwei-
se als Biomarker dienen, um den Nutzen
einer ASS-Einnahme bei Darmkrebs vor-
herzusagen. Die Ergebnisse müssen sich
allerdings zunächst in prospektiven Stu-
dien bestätigen.
Korrespondenzadresse
Dr. A. Junker
Apothekerin für klinische und onkologische
Pharmazie
Sellscheid 100, 42929Wermelskirchen
Interessenkonflikt.
A. Junker gibt gelegentliche Rei-
sekostenunterstützung durch Pfizer, Novartis, Celgene
und Boehringer Ingelheim an.
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Der Onkologe 1 · 2014
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