Onkologe 2013 · 19:319–322
DOI 10.1007/s00761-013-2428-x
Online publiziert:!10. März 2013
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
A. Junker
Wermelskirchen
ASH 2012 – Höhepunkte
und Schlaglichter
Atlanta, 8.–11. Dezember 2012
Die 54. Jahrestagung der American
Society of Hematology (ASH), unter
demMotto„Helping hematologists
conquer blood diseases worldwide“
zog rund 30.000 Teilnehmer aus 110
Ländern an und bot eine Vielzahl
spannender Forschungsergebnisse.
Heilung der akuten
promyelozytischen Leukämie
ohne Chemotherapie möglich
Erstmals zeigt eine Phase-III-Studie, dass
auch ganz ohne Einsatz von Chemo-
therapie eine erfolgreiche Behandlung
der akuten promyelozytischen Leukä-
mie (APL) möglich ist. Die ersten effek-
tiven Behandlungsregime bei APL stütz-
ten sich auf Anthrazykline wie Daunoru-
bicin oder Idarubicin. Bereits in den spä-
ten !"#$er Jahren hatten chinesische For-
scher beobachtet, dass die All-trans-Re-
tinsäure (ATRA), ein Vitamin-A-Derivat,
bei refraktären APL-Patienten zu bemer-
kenswerten Ansprechraten führte. ATRA
hebt offenbar den Differenzierungsblock,
der bei der APL vorliegt, auf und führt die
Blasten zur Differenzierung und später in
die Apoptose. Entsprechend wurde ATRA
Anfang der !""$er Jahre Bestandteil von
Therapieprotokollen bei APL. Einige Jah-
re später erwies sich, dass auch Arsentri-
oxid (ATO), das Apoptose induziert, die
Effektivität einer APL-Behandlung stei-
gern kann.
In der vorgestellten internationa-
len multizentrischen Studie erhielten !%&
APL-Patienten mit Standardrisiko ent-
weder eine Kombination aus ATO plus
ATRA (Arm A) oder die bisherige Stan-
dardtherapie aus ATRA pus Idarubicin
(Arm B) [!]. Nach einem medianen Fol-
low-up von '! Monaten betrug die er-
eignisfreie Zweijahresüberlebensra-
te "(% im Arm A und #%,(% im Arm B
(p=$,$'). Fünf Jahre nach der Diagnose
lebten noch "#,(% vs. "!,!% der Patienten
(p=$,$&;
.
Abb. 1
). Im Chemotherapie-
arm kam es signifikant häufiger zu Neu-
tropenien ≥Grad ' und Thrombozytope-
nien (p<$,$$!). Erstautor Lo-Coco schlug
aufgrund der überzeugenden Ergebnis-
se vor, die Kombination ATO plus ATRA
auch bei APL-Patienten mit hohem Risi-
ko zu prüfen.
Lymphome – 17p- und
11q-Deletionen verlieren
ihren Schrecken
Die Bruton’s Tyrosinkinase (BTK) zählt zu
den Tyrosinkinasen der Tec-Familie, die
v. a. in B-Zellen exprimiert werden. Die
BTK übernimmt wichtige Funktionen in
der Amplifikation von Signalen von meh-
reren Rezeptoren an der Zelloberfläche
und bei der Vermittlung des B-Zell-Re-
zeptor-Signals ins Zellinnere. Die meis-
ten B-Zell-Tumoren sind im Hinblick
auf Proliferation und Überleben abhän-
gig von der BTK. Ibrutinib ist der erste ir-
reversible BTK-Inhibitor, der klinisch ge-
prüft wurde. Die Substanz ist oral wirk-
sam.
In einer multizentrischen Phase-I/II-
Studie wurde Ibrutinib bei !!% Patien-
ten mit CLL oder kleinzelligem Lym-
phom entweder in der Erst- oder Zweit-
linientherapie in zwei verschiedenen Do-
sierungen eingesetzt [&]. Auch High-
Risk-Patienten mit !(p- oder !!q-Dele-
tionen wurden eingeschlossen. Im Rezi-
div oder bei refraktärer Erkrankung war
dies bei '*% bzw. '"% der Patienten gege-
ben, von denen mehr als zwei Drittel be-
reits mehr als drei Vortherapien erhalten
hatten. In der First-Line-Therapie betrug
die Gesamtansprechrate %#%, im Rezidiv
und bei refraktären Patienten (!%. Nach
&% Monaten waren noch "%% der nicht
vorbehandelten Patienten progressions-
frei und am Leben, in der vorbehandelten
und refraktären Gruppe waren es (*% bei
#'%Gesamtüberleben. Mehr als die Hälf-
te dieser Patienten wiesen eine !(p-Dele-
tion auf. Hämatologische Nebenwirkun-
gen der Grade III und IV waren bei den
vorbehandelten Patienten etwas häufiger
(!'% vs. %%). Häufiger war auch Diarrhö,
die aber selten die Grade III/IV erreichte.
Positiv waren auch die Resultate einer
weiteren Studiemit Ibrutinib inKombina-
tion mit Rituximab (IR) bei CLL mit ho-
hem Risiko [']. Die Patienten hatten !(p-,
del !!q, p*'-Mutation oder waren weniger
als ' Jahre nach Erstlinientherapie progre-
dient.
Der BTK-Inhibitor wurde kontinu-
ierlich einmal am Tag oral, Rituximab
im ersten Monat wöchentlich und in den
Monaten & bis % einmal pro Monat appli-
ziert. Innerhalb der Monate ' bis % sprach
die Behandlung bei #'% der Patienten an.
Im Vergleich zu einer bisher üblichen Re-
zidivtherapie bei Patienten mit !(p-De-
letion war die Zeit bis zum Fehlschlagen
der Therapie (TTF) deutlich verlängert
(
.
Abb. 2
).
Auch in dieser Studie war Diarrhö
mit &*% häufig, wenn auch überwiegend
Onkologiekongresse
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