Onkologe 2012 · 18:64–65
DOI 10.1007/s00761-011-2194-6
Online publiziert:!4. Januar 2012
© Springer-Verlag 2012
A. Junker
Apothekerin für klinische und onkologische Pharmazie, Wermelskirchen
Schlaglichter vom Europäischen
Multidisziplinären
Krebskongress (EMCC)
23. bis 27. September 2011, Stockholm
Onkologen und Strahlentherapeu-
ten trafen sich zummultidisziplinä-
ren, europäischen Krebskongress
von ESMO, ECCO und ESTRO. Neben
Fortschritten in der personalisierten
Krebstherapie und den Bedingungen
für eine flächendeckende Umsetzung
wurden interessante Beobachtungs-
studien einzelner Patientenklientele
vorgestellt.
Personalisierte Therapien –
Anforderungen an die
diagnostische Praxis
Mehr und mehr wird die bisherige Stan-
dardtherapie des nichtkleinzelligen Bron-
chialkarzinoms (NSCLC) durch zielge-
richtete Therapien ergänzt. Offensicht-
lich können Lungenkarzinome anhand
von genetischen Veränderungen sehr viel
weiter differenziert werden als nach der
bislang üblichen histologischen Kategori-
sierung. So sind für das NSCLC vomLung
Cancer Mutation Consortium (LCMC)
bislang !" sog. Driver-Mutationen iden-
tifiziert worden, die bei zwei Dritteln al-
ler Bronchialkarzinompatienten gefunden
werden können: KRAS-, EGFR-, HER#-,
BRAF-, PIK$CA-, AKT!-, NRAS-,MEK!-,
EML%-ALK- und MET-Amplifikationen
[!]. Schon seit einiger Zeit gehören bei ak-
tivierender EGFR-Mutation EGFR-Tyro-
sinkinase-Inhibitoren zum Therapiekon-
zept. Durch die Nachweismöglichkeiten
der modernen Molekularbiologie sind in
der Zukunft weitere zielgerichtete thera-
peutische Ansätze zu erwarten. So wur-
de von der FDA im August auch Crizoti-
nib zugelassen, das bei NSCLC-Patienten
mit einer EML%-ALK-Fusion hoch wirk-
sam ist. Ungefähr $–&%der Patienten sind
positiv für diese Mutation und sprechen
in diesem Fall in '"–("% auf den ALK-
Inhibitor Crizotinib an.
Therapieplanung am
Gewebeschnitt
Die Bedingungen für eine flächendecken-
de Umsetzung der Erkenntnisse aus der
molekularbiologischen Forschung beim
NSCLCwurden auch in Stockholmdisku-
tiert. Eine wesentliche Rolle im interdiszi-
plinären onkologischen Team spielt nun
der Pathologe, denn seine Arbeit entschei-
det mit darüber, wie ein Patient behandelt
wird. Manfred Dietel, Präsident der Deut-
schen Gesellschaft für Pathologie (DGP),
stellte dar, dass nicht mehr nur der Bio-
marker imBlut nachzuweisen sei, sondern
gezielte Untersuchungen amTumorgewe-
be im Mittelpunkt stehen. Die Qualitäts-
überprüfung der Pathologen ist aufgrund
der weitreichenden Konsequenzen ihrer
Infobox
Langzeitbeobachtung nach Krebserkrankung imKindes- und
Jugendalter: Damit aus Überleben eine Perspektive wird
Statement von Gabriele Calaminus, Präsidentin der SIOP (International Society
of Pediatric Oncology)
In Europa erkranken jedes Jahr etwa 15.000 Kinder und Jugendliche an einer Krebserkrankung.
Mit den heute verfügbaren Behandlungsmöglichkeiten können zwei Drittel dieser Patienten ge-
heilt werden. Ungewiss sind jedoch nach wie vor die langfristigen Risiken, die die durchgemachte
Erkrankung und ihre Behandlung für die ehemaligen Patienten bergen. Aus Studien, v. a. im nord-
amerikanischen Raum, ist bekannt, dass die Risiken, an Zweittumoren zu erkranken, mit den Jahren
ansteigen und teils erst nach mehreren Jahrzehnten zumTragen kommen können. Spätfolgen für
z. B. Herz oder Niere treten ebenfalls oft erst später in Erscheinung und sind meist abhängig von der
Intensität der verabreichten Therapie, aber auch von den eingesetzten Medikamenten und davon,
ob zusätzlich zu einer Chemotherapie auch eine Bestrahlung erfolgte, in deren Zielbereich die ge-
nannten Organe lagen.
Mit dem Ziel, Nachsorgeempfehlungen für Krebserkrankungen im Kindes- und Jugendalter zu
entwickeln und in verschiedenen Forschungsprojekten europaweit zusammenzuarbeiten, hat sich
mit Unterstützung über das 6. Forschungsrahmenprogramm der EU das Netzwerk PANCARE (Pan-
European Network for Care of Survivors after Childhood and Adolescent Cancer) gegründet, dem
Mediziner, Epidemiologen, Biologen, Psychologen, aber auch Betroffene angehören. Auch die Auf-
klärung der Überlebenden über ihre langfristigen Risiken hat sich PANCARE zur Aufgabe gemacht.
Die Kinderonkologie ist weltweit imDachverband SIOP organisiert, deren Vision es ist, dass
langfristig kein Kind mehr an Krebs stirbt. Während in Europa schon eine hohe Überlebensrate er-
reicht ist, überleben in den Entwicklungsländern nur etwa 15–20% der betroffenen Kinder. Das gro-
ße Problem ist neben den oft unzureichenden Versorgungsstrukturen, die eine frühe Diagnose häu-
fig unmöglich machen oder erschweren, der in vielen Ländern fehlende oder erschwerte Zugang zu
den notwendigen Medikamenten. Im Rahmen einer Initiative der Vereinten Nationen versucht die
SIOP, gemeinsammit anderen Organisationen wie derWHO und der UICC auf diese Situation hinzu-
weisen und langfristig die Bedingungen zu verbessern [5].
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Der Onkologe 1 · 2012
Aktuelle Onkologie